Personalstrategien in Zeiten des digitalen Wandels und IT-Fachkräftemangels

Karl-Heinz Reitz, Katja Könnecke

Workshop 12.00 – 13:00 Uhr

Zum Einstieg zeigen Karl-Heinz Reitz und Katja Könnecke den Film „Always #LikAgirl" (1). Der Film löste bei Karl-Heinz Reitz eine Betroffenheit aus und führte ihn zu der Frage, wie eine Führungskraft und Unternehmen insgesamt auf diese offensichtlich tief in der Gesellschaft verankerten Vorurteile reagieren und wie diese positiv verändern werden können. Mit welchen Personalstrategien kann die Computacenter AG diese Vorurteile offensiv angehen und Einfluss auf die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen?

Karl-Heinz Reitz stellte zunächst die Computacenter AG vor. Das Unternehmen ist ein großer Arbeitgeber mit mehr als 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland und 17.000 weltweit. Der Umsatz beträgt fast zwei Milliarden Euro. Im Rahmen des Workshops sollte es sowohl um Diversität, Agilität und digitales Arbeiten als auch um die Rolle der Personalabteilung gehen.

Bei den Themen Agilität und Diversität ist es wichtig, vor allem bei Menschen in der IT-Branche ein Bewusstsein für Veränderung zu schaffen. Über die klassischen Buzzwords hinaus muss die Frage gestellt werden „Was heißt das für uns?“.

Zu postulieren, dass Agilität und Diversität die Effizienz und den Output eines Unternehmens alleine erhöhen, reicht nicht aus. Es sollte gefragt werden, wie damit im Unternehmen ein Mehrwert geschaffen werden kann. Bei diesen Themen geht es auch um eine veränderte Kultur, die nicht so einfach zu managen ist. Die Durchführung eines Workshops allein reicht da nicht aus, vielmehr müsse an den Rahmenbedingungen gearbeitet werden.

Karl-Heinz Reitz erklärte an dieser Stelle das „Trafo Modell“ der „HR Pioneers" (2), bei dem es um die Akzeptanz von neuen Paradigmen geht. Es enthält sechs Dimensionen: Strategie, Struktur, Prozess, Führung, HR und Kultur und fünf Transformationsebenen auf dem Weg von klassischen zum agilen Unternehmen. Top-Down-Strategien haben ausgedient, stattdessen muss der Fokus auf das, was die Menschen wirklich beschäftigt, gesetzt werden. Es gilt, an deren Problemen anzusetzen und gemeinsam Lösungen zu finden. Bei der Dimension „Struktur“ geht um eine veränderte Sichtweise auf die Organisation: Statt klassischem Linienmodell erhält die Organisation eher eine Netzwerkstruktur, wobei das je nach Kontext abgewogen werden muss.

Wird eine Kultur des Wandels gewünscht, müssen dafür Möglichkeiten geschaffen werden. Die Rolle der Führungskraft ist dabei, das Team dabei zu unterstützen, einen guten Job zu machen. Drei Wahrheiten sind zu beachten: Zu glauben, dass Menschen sich gerne verändern, sei eine Illusion. Sie bleiben eher im vertrauten Kontext, in dem sie die Risiken abschätzen können. Ebenso sei der Gedanke, es gäbe eine perfekte Lösung, die nur noch ausgerollt werden müsse, eine Fehleinschätzung. Kommunikation ist hierbei extrem wichtig, allerdings ist die Steuerung nicht allein damit vernünftig möglich.

Diversität ist ein Aspekt, der einen attraktiven und nachhaltig erfolgreichen Arbeitgeber ausmacht. Karl-Heinz Reitz präsentierte an dieser Stelle eine aktuelle Studie aus dem „Harvard Business Review" (3), die zeigt, dass es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur um das reine Geldverdienen im Job geht. Natürlich ist ein Gehalt nötig, um die Familie zu ernähren und um den eigenen Lebensweg zu gestalten. Doch die Bereiche „Career“, „Community“ und „Cause“ sind eher motivierend für die Menschen. Daher ist es wichtig, diese Dinge im Unternehmen abzubilden.

„Career“ bedeutet, den eigenen Job mit einer gewissen Autonomie ausführen zu können, die eigenen Stärken einbringen und sich kontinuierlich weiterentwickeln zu können. „Community“ – dieser Aspekt wird häufig unterschätzt – bedeutet, respektiert zu werden und sich zugehörig zu fühlen. Emotionen werden im Business-Kontext gerne ausgeblendet, weil sie als kontraproduktiv angesehen werden. Doch Unternehmen sollten die „Community“ so gut und authentisch wie möglich berücksichtigen. „Cause“ heißt, in der eigenen Aufgabe einen Sinn zu sehen. Es sollte einen Einfluss haben, was jemand tut und wie es getan wird und es sollte nicht egal sein, ob es gemacht wird oder nicht. Den Cause in einer Organisation zu finden und herauszuarbeiten, ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft.

Im Folgenden zeigte Karl-Heinz Reitz die „New People Agenda“ der Computacenter AG (4). Um attraktiv zu sein, müssen Arbeitgeber sich positionieren und herausstellen, was sie ausmacht. Dies muss im Einklang mit dem tatsächlichen Handeln stehen. Die Menschen müssen wiedererkennen, was versprochen wurde. Dazu gehört die Performance Culture – eine Führungskultur, die Diversität fördert und die es auch schafft, Diversität in Wertschöpfung zu übersetzen.

In seinem Fazit betonte Karl-Heinz Reitz, dass es einerseits automatisierte, nutzer/innen-zentriete Prozesse, die Probleme lösen können, braucht, und andererseits Organisationen, die sich durch Flexibilität, Agilität und Offenheit auszeichnen.

Anschließend stellte Katja Könnecke die Initiative „Women@Work“ der Computacenter AG vor. Diese wurde 2016 mit Carolin di Lorenzi als „Women Representative“ gestartet. Bei ausschließlicher Betrachtung der Zahlen ist das Computacenter im Hinblick auf Diversität nicht besonders gut aufgestellt. Um hier Verbesserungen zu erwirken, wurde „Women@Work“ gestartet mit dem Anspruch, konkrete Ziele und Maßnahmen zu entwickeln.

Der Anteil von Frauen im Unternehmen ist gering: Aktuell beträgt er bei Neueinstellungen 15 % und bei der Besetzung von Führungspositionen 19 %. Bei derzeit 800 offenen Stellen der Computacenter AG ist das Ziel, den Frauenanteil auf 20 % zu erhöhen. Das ist sehr ehrgeizig, da es schwierig ist, potentielle Bewerberinnen auf dem Markt zu finden und geeignete Formate zu entwickeln, um Frauen für das Unternehmen zu gewinnen.

 „Women@Work“ ist auf drei Säulen aufgebaut: Die erste Säule steht für Marketing und Recruiting, bei der es darum geht, Frauen insgesamt für die IT zu begeistern. Zu diesem Zweck wurde ein Format mit Kolleginnen als Role Models aufgesetzt, womit verschiedene Lebens- und Karriereentwürfe intern und extern aufgezeigt werden können. Die Videos zielen darauf ab, transparent zu machen, welche Rollen es im Unternehmen gibt und wie Frauen sich einbringen können. Jede dieser Kolleginnen hat ihre ganz eigene Geschichte, die eine mit Kindern, die andere ohne. Dabei ist es wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht diesen einen Karriereweg gibt, sondern ganz viele, um Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen. Role Models sind bei der Ansprache von Frauen nicht mehr wegzudenken. „Mitarbeiter/innen werben Mitarbeiter/innen“ ist eine der erfolgreichsten Recruiting-Maßnahmen der Computacenter AG – die Kolleginnen und Kollegen werden zu Multiplikatoren.

Der Recruiting-Markt für Frauen ist eine Nische. Das Angebot an Messen wie die „herCareer“ oder die „Women&Work“ ist begrenzt. Die wenigen Formate, die angeboten werden, sollten Unternehmen nutzen. Darüber hinaus kann das FKI-Siegel (Frauen-Karriere-Index) beim Benchmarking mit anderen Unternehmen, die Frauenprojekte haben, helfen. Das Siegel eignet sich natürlich auch gut als Recruiting-Argument in der externen Kommunikation.

Die zweite Säule von „Women@Work“ zielt darauf ab, Mitarbeiterinnen für Führungsrollen zu qualifizieren. Seit Beginn der Initiative gibt es parallel ein Managementprogramm, das sich im ersten Jahr stark an Kandidatinnen orientierte, die von ihren Vorgesetzten für eine Weiterentwicklungsmaßnahme nominiert wurden. Mittlerweile können Frauen sich selbst nominieren bzw. bewerben. Um größtmögliche Heterogenität herzustellen, wurde gezielt geschaut, wer welche Methoden und Trainings benötigt, um sich für eine Führungsposition zu qualifizieren.

Katja Könnecke berichtete, dass Frauen sich stärker hinterfragen als Männer und die Eigeninitiative, sich aktiv für eine Führungsposition zu qualifizieren, deutlich geringer ausgeprägt ist als bei Männern. Neben den Methoden ist es genauso wichtig, sich innerhalb der Gruppe zu vernetzen und auszutauschen und sich eine Mentorin oder einen Mentor zu suchen. Um sich auch betriebsübergreifend bewerben zu können, muss die eigene Sichtbarkeit erhöht werden. Es geht dieser Initiative also auch darum, die Fühler auszustrecken und herauszufinden, mit wem eine Vernetzung sinnvoll ist, und wer außerhalb der eigenen Komfortzone begleitet werden kann. Eine Teilnehmerin aus dem Marketing könnte z. B. in einem anderen Bereich hospitieren.

Die dritte Säule steht für eine grundsätzliche Veränderung ganz unabhängig vom Unternehmen, denn es bleibt ein gesellschaftliches Thema. Es braucht generell mehr Absolventinnen in MINT-Fächern, damit es genügend Kandidatinnen am Markt gibt. Darüber hinaus gilt es, das Potential von Wiedereinsteigerinnen zu nutzen. Welche Möglichkeiten gibt es für Frauen, die mit Mitte Dreißig in Teilzeit in den Job zurückkehren wollen? Es gilt, über konkrete Angebote für bestimmte Zielgruppen nachzudenken.

Kultur beginnt schon beim Auswahlprozess. Dem Management muss vermittelt werden, was bei der Ansprache von Frauen zu beachten ist. Welche Fragen sind relevant und welche Informationen brauchen Bewerberinnen, um sich für das Unternehmen zu begeistern? Im Rahmen von „Women@Work“ wurden die Interviews bei Einstellungsgesprächen an die Zielgruppe Frauen angepasst und darauf geachtet, dass immer eine weibliche Kollegin bei Gesprächen anwesend ist.

Katja Könnecke verwies zudem auf das Format „Open House Computacenter“. Hierbei werden externe Sprecherinnen und Sprecher von anderen Unternehmen eingeladen, um sich auszutauschen. Ein Thema ist die Digitalisierung: Was hat das für Auswirkungen auf die Jobs? Was verändert sich? Was tut die Computacenter AG in diesem Zusammenhang? Es wird darauf geachtet, dass in gemischten Gruppen kommuniziert wird und dass auch das Management, das primär mit Männern besetzt ist, eingebunden ist.

Ein Beispiel für ein Traineeprogramm bei der Computacenter AG ist „Future Talents“. Pro Jahr werden ungefähr 100 Absolventinnen und Absolventen eingestellt. Es gibt eher technische Traineeprogramme, aber auch solche mit dem Schwerpunkt IT-Projektmanagement. Die Frauenquoten waren dabei bisher nicht besonders hoch. Um das zu ändern, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen: Über Frauenstudiengänge wurde der Kontakt zur Zielgruppe gesucht, um Karrieretrainings anzubieten und Fachvorträge zu halten. Auch Hochschulkooperationen und Exkursionen sind Mittel, um zu zeigen, was in der Wirtschaft möglich ist und was sich hinter bestimmten Trendthemen versteckt.

Darüber hinaus werden bereichsübergreifende Konferenzen mit sogenannten „Break Out Sessions“ durchgeführt. 300 bis 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich an ein bis zwei Tagen und beschäftigen sich mit einem Fachthema. Auch dort ist das Projekt „Women@Work“ präsent.

(1) https://youtu.be/XjJQBjWYDTs
(2) siehe Präsentation S. 7
(3) siehe Präsentation S. 14
(4) siehe Präsentation S. 15

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