Modellprojekt Reallabor: Wie Unternehmen praktisch von Geschlechterforschung profitieren

Michael Ahmadi, Anne Weibert

(Universität Siegen)

Workshop 15:00 – 16:00 Uhr

Zunächst wurde im Workshop erläutert, was in den Reallaboren, die mit vier Unternehmen und zwei Organisationen im universitären Umfeld durchgeführt werden, genau gemacht wird. Es wurde mit der Frage eingeleitet, wo genau der „Genderschuh“ in der Praxis drückt und im Betrieb bzw. der Organisation verortet werden kann. Es wurde eine konkrete Fragestellung entwickelt und diese mit dem Ansatz der Aktionsforschung bearbeitet. Dabei steht das kollaborative Moment im Vordergrund: Es sollen Lösungen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem iterativen Prozess erarbeitet werden. 

Der iterative Prozess umfasst vier Phasen: 

  • Interviews durchführen, um Prozesse und Ansichten zu verstehen (Beobachtungsphase)
  • Reflektieren der Beobachtungsergebnisse, Diskussion in Fokusgruppen (Evaluationsphase)
  • Planung von Interventionsmöglichkeiten (Planungsphase)
  • Umsetzung der Intervention (Handlungsphase)

Im nächsten Schritt wird die umgesetzte Intervention einem erneuten iterativen Prozess unterzogen. Im Rahmen der Projektdauer von drei Jahren werden insgesamt vier Iterationen durchgeführt. 

Im Workshop sollen folgende Fragen diskutiert werden, die sich aus den Reallaboren mit den Unternehmen ergeben haben: 

  • Wie muss eine Firma organisiert sein, um Diversität im Arbeitsalltag zu leben?
  • Wie können Talente gefördert werden?
  • Wie soll das Unternehmen für junge Fachkräfte aufgestellt sein?

Dazu haben die Workshop-Leiter/innen ein Plakat mit einem leeren Haus erstellt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden aufgefordert in 20 Minuten eine Firma zu gestalten, die obige Fragen positiv beantwortet. Erfahrungen aus dem eigenen Arbeitsalltag sollten dabei gerne eingebracht werden. Auch Dinge, die auf keinen Fall in einer solchen Firma Platz haben, sollten in einem Unternehmensschrank eingeschlossen werden. Zur Erleichterung des Diskussionseinstiegs haben Michael Ahmadi und Anne Weibert Stichworte mitgebracht, die in den Reallaboren immer wieder auftauchten. Folgende Stichworte wurden vorgegeben:

  • Kommunikation: Wie wird miteinander gesprochen?
  • Inwiefern sind Hierarchien Inhalt von Kommunikation?
  • Wie ist Verantwortung organisiert?
  • Wie wird mit den persönlichen Talenten umgegangen?
  • Welche Möglichkeiten zur Entfaltung der persönlichen Talente sind gegeben?
  • Wie ist die Rollen- und Aufgabenverteilung?
  • Welche Rolle spielt die Zeit?
  • Welche Rolle spielt die Familie?

Im Rahmen des Workshops wurden zwei Unternehmen entwickelt. Die Ergebnisse wurden vorgestellt. Zunächst die Ergebnisse der „Glücks- und Zukunfts-AG“:

  • Etwas Struktur wird benötigt
  • Möglichst wenig Hierarchien, es ist ein Miteinander
  • Weshalb es das Unternehmen gibt (Selbstverständnis)
  • Es geht ums Geldverdienen
  • Zusätzliche Leistungen wie z. B. Firmenfahrrad, weitere Boni für Mitarbeiter/innen und nicht nur für den Chef („(…) der sich den zweiten Tesla oder fünften Porsche anschafft.“)
  • „Menschliche Ressourcen“ müssen wertgeschätzt werden
  • Wertschätzung und Anerkennung
  • Freiheitsgrade: Homeoffice, VPN-Zugang, Vier-Tage-Woche
  • Keine Einzelkämpfer/innen, sondern Teams
  • Jede/r hat etwas zu sagen
  • Die Sache (das Projekt, die Firma) zählt und nicht die Person
  • Es ist ein Job zu leisten, das Private bleibt außen vor
  • Der Chef darf einen nicht am Wochenende kontaktieren
  • Dienstreisen dürfen nicht überhandnehmen („Ich bin kein weltweiter Hoteltester.“)
  • Work-Life-Balance wahren, kein Zwang zur Mobilität
  • Alle verfügen über die gleiche Wissensbasis, sind gleich gut geschult
  • Selbstbestimmung und Eigenverantwortung
  • Talente fordern und fördern
  • Menschliches Know-How ist das Kapital der Firma, Weiterbildungen ermöglichen
  • Kein Betriebsrat, da zuviel Bürokratie
  • Fürsprecher können aber notwendig sein (z. B. höhenverstellbare Schreibtische)

Im Folgenden stellte die zweite Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse vor. Sie hat ihr fiktives Unternehmen „Gewinn-Firma“ genannt. Der Name ist Programm: Die Firma macht Gewinn für die Gesellschaft, den Markt und die Mitarbeiter/innen. Eine zweite Idee für den Namen war „Soli-Flex“, da die Themen „Solidarität“ und „Flexibilität“ in der Diskussion immer wieder genannt und als besonders wichtig bewertet wurden. 

  • Flexibles Arbeiten ermöglichen durch Homeoffice-Regelung
  • Beiderseitiges Geben und Nehmen, solidarisches Handeln
  • Teambildungsprozesse begleiten
  • Anerkennung 
  • Das Privatleben jeder/s Einzelnen anerkennen, nicht auf Familie begrenzen
  • Eigenverantwortung und Gleichberechtigung nicht nur für Führungspersonen
  • Respektvoller Umgang miteinander 
  • Transparente Kommunikation in gendergerechter Sprache
  • Orientierung im Unternehmen anhand eines Verhaltenskodex, der auch gelebt wird
  • Wiederholte Reflektion der Unternehmenskultur

Im Anschluss an die Präsentation der beiden Häuser zeigen Michael Ahmadi und Anne Weibert auf, was sie in den Reallaboren tun. Es wird deutlich, dass die verschiedenen Aspekte des abgebildeten Wunschkonzerts wie Zahnräder ineinandergreifen. Wird an einer Stelle gedreht, so verschiebt sich eine andere, da die Themen umgekehrt proportional („Trade-off“) zueinander verhalten. Gibt es an einer Stelle eine Verbesserung, so kann dies an anderer Stelle eine Verschlechterung nach sich ziehen. Dies wird bei der Interventionsplanung und –umsetzung deutlich und daher gilt es, diese kollaborativ mit dem Unternehmen und den Teams sorgfältig zu erarbeiten.

GENDER//WISSEN//INFORMATIK" in den soziale Netzwerken