STAND-UP! Fünf Tools, die Tech-Frauen sofort im Job stärken.

Susanne Grohs-von Reichenbach

(Coach, Autorin, Sprecherin des AK Digitales und Gesellschaft, Bündnis 90/Die Grünen, München)

Workshop 10:30 – 12:00 Uhr

Ziel des Workshops war, agil zusammenzuarbeiten, das Wissen zu teilen und zu vermehren. Zu Beginn hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, drei Fragen an die Referentin Susanne Grohs-von Reichenbach zu stellen.

Die erste Frage bezog sich auf den Arbeitskreis „Digitales und Gesellschaft“ – was verbirgt sich dahinter? Der Arbeitskreis ist bei den Münchener Grünen angesiedelt und begleitet Menschen und Unternehmen in der Transformation. Ziel ist, die Basis mitzunehmen, politische Forderungen daraus zu gewinnen und in die entsprechenden Gremien zu bringen. Dazu werden regelmäßig Formate wie Workshops und Befragungen angeboten. Vor kurzem hat Susanne Grohs-von Reichenbach in diesem Rahmen einen Vortrag über künstliche Intelligenz und Arbeitsmarkt gehalten. Auf die Frage nach ein paar Eckdaten zu ihrem Werdegang berichtete sie, dass sie nach ihrem Sprachen- und BWL-Studium 18 Jahre lang in einem Tech-Konzern in der Unternehmenskommunikation gearbeitet hat. Danach leitete und beriet sie ein Projekt, in dessen Rahmen Wiedereinsteigerinnen – davon 40 % MINT-Frauen – bei der Rückkehr in den Job nach der Familienphase unterstützt wurden. Dabei hat sie viel über die Bedarfe und verschiedenen Wege gelernt. Danach hat sie als Senior PR-Managerin in einem digitalen Start-Up und freiberuflich als Coach gearbeitet. Momentan beschäftigt sie sich damit, wie die Chancen der Digitalisierung genutzt werden können.

„Stand-Up“ bedeutete in diesem Rahmen: sich Gedanken für die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu machen. Ein Stimmungsbild zur aktuellen Zufriedenheit im Job hatte sie bereits unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgefragt. Bevor die Tools von den einzelnen Gruppen mit Wissen gefüllt wurden, gab Susanne Grohs-von Reichenbach Input zu folgenden Schlagworten:

Essenz

Viele Frauen scheinen immer wieder grundsätzliche Fragen an ihr Leben, ihren Job und ihr Fachgebiet zu stellen. Das Tool „Essenz“ soll einen Reflexionsrahmen und Raum für tiefere Fragen bieten. Das Reflektieren und kritische Nachdenken über Technik und Digitalisierung  gehört eher zu Frauen als zu Männern. Es scheint eine Facette weiblicher Professionalität zu sein, Fragen zu stellen. Hier lässt sich auch der „Wille zum Sinn“ nach Viktor Frankl, dem Begründer von Logotherapie und Existenzanalyse, die oft auch als „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet werden, anführen. „Warum mache ich etwas?“ ist die zentrale Frage. Der Wille zum Sinn bedeutet, über sich selbst hinauszugehen.

Für die Vorbereitung auf den Workshop hat Susanne Grohs-von Reichenbach mit Informatikerinnen gesprochen. Diese Frauen betonten: Ja, wir möchten etwas tun, was der Gesellschaft nutzt. Vielen Frauen fragen sich in ihrem Job, warum sie tun, was sie tun. Deshalb lautete die Impulsfrage für die Gruppe zum Tool „Essenz“: Wozu sind wir auf der Welt?

Stärken und Potentiale

Ist die Sinnfrage gestellt und vielleicht sogar gelöst, führt das schnell zu der Frage: Was kann ich, wo sind meine Potentiale? Das klingt zunächst vielleicht banal, hat aber eine hohe Relevanz, was folgende Übung zeigt: Welche Assoziationen löst der Begriff „Full Stack Web Engineer“ aus? Mit solchen Übungen merken wir, wo wir stehen. Schon in der Keynote von Dr. Sabine Hahn ging es darum, wie stark Erziehung prägen kann. Susanne Grohs-von Reichenbach berichtete von einer Situation, als eine 22-jährige Kollegin aus dem Marketing zu ihr sagte, sie könne ein bestimmtes Bild nicht für eine Präsentation verwenden, da die darauf abgebildete Frau zu hübsch sei: „Tech-Frauen sehen doch so komisch aus“. Fakt ist: Beim Thema Technik sind die gespeicherten Erfahrungen in unserer Ideenwelt selten weiblich. Und: „Stärken und Potentiale“ ist für Frauen im technischen Umfeld immer noch kein Selbstläufer. Sie erleben Zuschreibungen, Stereotype und Blockaden. Drei persönliche Stärken spontan auf den Punkt zu bringen, ist nicht so leicht, wie es sein sollte, besonders in der Tech-Branche. Dabei kann das Türen öffnen: zu einem selbst und nach außen.

Bei Unzufriedenheit im Job und Gedanken über berufliche Veränderungen ist es essentiell, das eigene Potential zu kennen, denn wenn eine Frau nicht weiß, was sie kann, weiß sie auch nicht, was für sie infrage kommt. Keine Frau sollte auf Dauer dort arbeiten, wo sie sich nicht wiederfindet. Die eigenen Stärken und Potentiale zu kennen, hat viel mit den beruflichen Zielen zu tun. Wird eine Frau darauf angesprochen, wo sie in drei Jahren stehen möchte oder was sie im Unternehmen erreichen will, sollte sie eine Antwort kennen.

Ein positives Beispiel ist Simona Scarpaleggia, die bei IKEA Schweiz eine 50-zu-50-Besetzung von Männern und Frauen in allen Bereichen und Führungsebenen durchgesetzt und Unterschiede in der Bezahlung abgeschafft hat. „Frauen wollen Karriere“ – mit dieser Schlagzeile waren Interviews mit ihr kürzlich in den Medien. Es ist wichtig, solche ermutigenden Beispiele zu teilen. Simona Scarpaleggia hat aber auch offen zugegeben, dass sie einen männlichen Mentor hatte, der ihr Talent förderte. Das scheint ein wichtiger Schlüssel zu sein.

Selbstmarketing

Für viele Frauen scheint Selbstmarketing einen negativen Beigeschmack zu haben, dabei kann es Türen öffnen. Es kann helfen, Selbstmarketing als Dialog zwischen dem eigenen Talent und dem Arbeitgeber bzw. dem beruflichen Netzwerk zu sehen. Wo können solche Dialoge hinführen? Wie trete ich erfolgreich aus meinem Schatten? Storytelling, das Verpacken von Beispielen und Inhalten in eine Geschichte, die sofort verständlich ist und die Emotionen auslöst, ist dabei ein wichtiges Werkzeug, denn jede und jeder hört gerne Geschichten.

Kreativ sein

Kreativ zu sein, bietet zwei Chancen: Zum einen kann es Spaß machen und diese positiven Emotionen können durch schwierige Zeiten helfen – als Ausgleich. Zum anderen kann es dabei unterstützen, Abstand vom Job zu bekommen und Themen, die dort unter den Nägeln brennen, ganz anders zu lösen. Kreativität gibt außerdem die Möglichkeit, die eigene Besonderheit zu zeigen. Menschen möchten gesehen und wahrgenommen werden, das zeigt sich z. B. an der Beliebtheit von Instagram-Storys.

Susanne Grohs-von Reichenbach berichtete aus dem Projekt „Perspektive Wiedereinstieg“, an dem sie mitgearbeitet hat: Viele Frauen haben den Freiraum in der Familienphase genutzt, um kreativ zu sein, sei es mit Musik, Yoga oder ähnlichem. Die meisten wollten diese Kreativität nicht wieder ganz aufgeben, wenn sie wieder mit dem Job anfangen. Der Wunsch, die Kreativität im Beruf mitzudenken, besteht häufig. Die Forschung bestätigt, dass Kreativität einen ausgleichenden und stärkenden Effekt auf unsere Psyche hat. Jeder Mensch kann kreativ sein. Könnte Kreativität ein Element sein, dass im Job stärken kann? Wenn ja, wie?

Nach der Einführung zu den einzelnen Themen tauschten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich in Gruppen aus und präsentierten im Anschluss ihre drei wichtigsten Erkenntnisse.

Essenz:

  • Persönliche Weiterentwicklung
  • Selbstverwirklichung
  • Neugierde

Stärken und Potentiale und wie diese ermittelt werden können:

  • Neues ausprobieren
  • Selbstreflexion
  • Feedback sammeln und objektiv analysieren

Ziele:

  • Nein sagen zu „Overcommittment“
  • Sich mit dem eigenen Tun anfreunden (Am eigenen Handeln lässt sich erkennen, was für die Zukunft gewünscht wird)
  • Sich bewusst machen, dass häufig befürchtet wird, sich durch die vielen Möglichkeiten falsche Ziele zu setzen

Selbstmarketing und Dialog:

  • Für sich selbst ein Marke aufbauen (Was unterscheidet mich von anderen?)
  • Digitalisierung hat viel verändert (Jede/r muss den passenden Kanal finden – das ist eine Persönlichkeits und Generationenfrage, sollte aber nicht von zu wenig Wissen abhängig sein)
  • Fokussieren

Susanne Grohs-von Reichenbach ergänzte: Was könnte der gemeinsame Nenner sein, auf dessen Basis Selbstmarketing positiv gesehen werden könnte? Selbstmarketing ist heute etwas anderes als in drei Jahren und auch für jede Person verschieden. Die Leitfrage „Wem möchte ich etwas über mich mitteilen und wie mache ich das?“ kann helfen, da dadurch schon einiges wegfällt. Viele Frauen entscheiden sich z. B. gegen Social Media und empfinden diese Kanäle als „Zeitkiller“.

Kreativ sein:

  • Kreativität darf kein Imperativ sein (Der Begriff, der eigentlich mit Leichtigkeit und Freizeit zusammenhängt, wurde in letzter Zeit immer mehr ökonomisiert.)
  • Es besteht ein Wunsch nach körperlichem, handwerklichem Erleben und Handeln, auch wenn dafür im Alltag kaum Raum ist – die Erkenntnis ist jedoch, dass sich Kreativität meist trotzdem ihren Weg bahnt
  • Kreativität kann eine Strategie sein, um unliebsame Aufgaben im Job aufzuwerten (Z.B. Themen strukturieren mit Illustrationen.)

Im Anschluss wurden die Ergebnisse im Plenum besprochen und reflektiert. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählten mithilfe von Klebepunkten die Karte aus, die aus der eigenen Sicht am wichtigsten ist und die am meisten Potential bietet. Es wurde außerdem diskutiert, wie „Overcommittment“ entstehen kann:

  • Wenn jemand nicht nein sagen kann, um sich nicht die Blöße zu geben
  • Strukturelle Gründe
  • Die eigenen Grenzen nicht kennen
  • Von vielen Interessen getrieben sein

Es widerstrebt vielen, „Nein“ zu sagen, weil sie damit etwas aufgeben. Doch es ist möglich, positiv „Nein“ zu sagen: Sage stattdessen, was du tun kannst. Blockadefreie Formulierungen sind immer möglich. „Nein“ zu etwas zu sagen, bedeutet genauso, „Ja“ zu etwas anderem zu sagen: „Ich entscheide mich aktiv für etwas anderes, das mir wichtiger ist“. Dahinter steht die Ansicht: Ich bin mir etwas wert und ich mache, was ich für richtig halte – das können sich Frauen nicht oft genug vergegenwärtigen, denn fachliche Kenntnisse sind genügend vorhanden.

Wie roter Faden zieht sich das Thema "Fokurs" durch alle Aspekte. Es gilt, das eigene Hauptthema zu finden, dieses zu priorisieren sowie in den Zielen und im „Nein sagen“ zu verankern. Für sich selbst Kernbotschaften zu entwickeln, kann nicht nur im Kontakt mit Medienvertreter/innen nützlich sein. Was ist die eigene Botschaft? Angesichts des Informationsüberflusses ist es immer schwieriger, herauszufinden, was wirklich relevant ist. Der eigene Fokus kann in jeder Lebensphase und in jedem Kontext neu ausgerichtet werden.

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